Schafe, Störche und Slowfood
Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn
Drei Storchennester, ein Lama und prämierter Blauschimmelkäse – wo gibt’s denn sowas? Im idyllischen Wilhelmsglücksbrunn ganz im Westen von Thüringen.
Ganz nah an der Grenze zu Hessen befindet sich das Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn. Ein Biohotel, Slowfood Restaurant und von Bioland zertifizierter Landwirtschaftsbetrieb.
©Florian Held, TTG
Mittlerweile ist das Stiftsgut renoviert und es ist schwer vorstellbar, dass es vor 25 Jahren eine Ruine war. 1997 wurde begonnen das zu diesem Zeitpunkt völlig verfallene Stiftsgut mit viel Eigenleistung zu einem Biolandwirtschaftsbetrieb umzubauen. Seit jeher ist dieser als Inklusionsbetrieb angelegt. Familie Karsten ist seit Beginn dabei. Robuste (und flauschige) Gallowayrinder wurden angeschafft, dazu eine Herde von südfranzösischen Lacaune-Schafen, die für ihre gute Milchleistung bekannt sind. Wasserbüffel bevölkern die sumpfigen Gebiete rund um das Gehöft und schlagen monoton mit ihrem langen Schwanz hin und her. Fast wie in Asien.
Später kamen eine eigene Biokäserei, ein Bioladen und der Restaurant- und Hotelbetrieb dazu. Überall werden konsequent Rohstoffe aus Bioqualität verwendet.
Wir haben einen traumhaften Sommertag erwischt, um das Stiftsgut zu besuchen. Schon bei der kurzen Strecke von der B7 zum Anwesen können wir die Entspannung, die sich bei uns im Auto breitmacht, spüren. Rechts von der Zufahrtsstraße sehen wir die ersten Galloways in der hügeligen Landschaft rumstehen. Zahllose Fahrradfahrer kommen uns entgegen: Wilhelmsglücksbrunn liegt direkt am Werratal-Radweg. Ich habe sofort ein Urlaubsgefühl.
©Mira Held, TTG
Im Biergarten am Teich entspannen wir zusammen mit zahlreichen Radfahrern.
Auf dem Hof begrüßt uns nicht nur Frau Karsten, sondern auch das Geklapper eines Storches, der auf dem Dach des Haupthauses lebt. Er ist nicht der Einzige. Zwei weitere Storchenfamilien haben sich ebenfalls das Gut als Zuhause ausgewählt. Dass sie sich hier wohlfühlen, überrascht mich auf den ersten Blick nicht. Vor dem Haupthaus breiten sich die Tische eines Biergartens locker bis zu einer Terrasse am See aus. Im Hof erwartet die Besucher rechts ein gut sortierter Biomarkt und links steht der zu Ferienwohnungen ausgebaute Stall bereit. Hotelzimmer befinden sich in einem weiteren Gebäude.
©Mira Held, TTG
Wir besuchen zuerst die Käserei. Dort ist Philip Gräfenhahn gerade dabei, letzte Hand an seine heutige Produktionscharge anzulegen. Er wendet die frischen Käselaibe mit geübten Bewegungen. „Ich mache alle zwei Tage frischen Käse. Heute ist es Schnittkäse mit Bockshornklee. Den muss ich jetzt noch einmal wenden und dann kommt er ins Salzbad“. Bis es so weit ist, zeigt uns Philip noch die Reifekammern. Bei verschiedenen Temperaturen lagern hier die Käselaibe. Der Rotschmierkäse reift 4 Wochen, der Schnittkäse bleibt 6 – 8 Wochen und der Creuzburger Pecorino reift für ganze 12 – 16 Monate. Unter den angebotenen Käsesorten sind auch Frischkäse, Hirtenkäse und Hartkäse. Erhältlich sind sie alle im eigenen Bioladen und natürlich im Restaurant.
Wenn Philip gerade keinen Käse macht, dann stellt er aus der Schafsmilch Eis her. „Das ist schon toll: morgens kommt die Milch hier ganz frisch an. Die Schafe stehen ja direkt da drüben. Dann pumpe ich die Milch rüber und fange an, den Käse zu machen oder eben Eis. Je nachdem, was gerade ansteht.“ Wer denkt, dass Eis aus Schafsmilch streng schmeckt, irrt. Es ist stattdessen besonders sahnig und cremig.
©Florian Held, TTG
„Es geht viel um riechen, schmecken, fühlen“, sagt Philip. „Das ist kein Vergleich zu dem Job bei einem großen Milchproduzenten, den ich vorher hatte. Da lief alles automatisch ab.“
Schmecken ist unser Stichwort. Wir gehen rüber in den Bioladen, um den Käse, von dem wir so viel gesprochen haben, zu probieren. Während der Pecorino milder ist als erwartet, überzeugt er durch eine besondere Cremigkeit. Genauso wie der Schnittkäse. Neugierig sind wir auf den beim Biocaseus-Wettbewerb in Italien preisgekrönten Creuzburger Blauen. Ein aromatischer Blauschimmelkäse, der einfach auf der Zunge zergeht. Keine Spur von Schärfe wie häufig bei Gorgonzola, sondern einfach eine sahnige Köstlichkeit, die ich mir auf meiner nächsten Käseplatte wünsche. Interessant zu wissen: die Milch von Lacaune-Schafen wird traditionell bei der Produktion von Roquefort verwendet – kein Wunder also, dass der Creuzburger Blaue eine gewisse Ähnlichkeit mitbringt.
©Mira Held, TTG
Bevor wir uns weiter auf dem Stiftsgut umsehen, ist es Zeit den besagten Schafen einen Besuch abzustatten. Das ganze Jahr über pendeln sie zwischen Offenstall und Wiese. Dort leben sie zusammen mit einem Lama. Wieso? Weil das Lama die Schafe vor der Bedrohung durch Wölfe beschützt. Furchtlos stürzt es sich im Falle eines Angriffs auf den Wolf, gibt Warnlaute von sich, tritt zu und spuckt natürlich im Notfall. Was in Amerika schon seit Jahrzenten zum Schutz der Viehherden gegen Präriehunde und Pumas üblich ist, ist in Deutschland eher unkonventionell. „So sind die Methoden im Biolandbau nun mal ab und an“, erklärt uns Frau Karsten mit einem Achselzucken.
Nach unserem Rundgang gönnen wir uns ein Stück des beliebten Mohnkuchens, trinken Affogato mit Schafsmilcheis und eine Molke mit Joghurt. Das Stiftsgut beschäftigt eine gelernte Konditorin, die traditionelle Thüringer Blechkuchen backt. Das kommt nicht nur bei den zahlreichen Touristen gut an, die im Biergarten eine Pause vom Radfahren einlegen, sondern auch bei uns. Ich mag eigentlich weder Mohn noch Rosinen besonders gern, aber der Kuchen ist trotzdem köstlich. Auch die Molke und der Schafsmilch-Affogato sind super.
©Mira Held, TTG
Ermutigt von diesem Kaffee-Erlebnis schlendern wir noch eine große Runde um das Stiftsgut und beobachten die Wasserbüffel. Im goldenen Abendlicht lassen wir den Abend danach im Biergarten am Teich ausklingen. Es gibt Rother-Bräu, ein Bier aus einer familiengeführten Brauerei aus der Rhön und allerlei eigene Spezialitäten vom Stiftsgut.
Wir entscheiden uns für Eintopf vom Wasserbüffel, gebackenen Schafskäse, Lammfilet und den CreuzBurger, dessen Patty aus einer Mischung von Gallowayrind- und Büffelfleisch gemacht wird. Slowfood wie es im Buche steht. Wir sind begeistert, wie viele Gerichte auf eigenen Produkten oder anderen Zutaten aus der Region basieren. Alle Lebensmittel, die im Restaurant verwendet werden, sind aus biologischem Anbau.
©Mira Held, TTG
Nachdem Flo und ich noch eine letzte Kugel vom leckeren Schafsmilcheis verdrückt haben, machen wir uns langsam auf den Weg zurück nach Erfurt. Schade eigentlich, dass wir uns nicht gleich ein Zimmer im Hotel gemietet haben.
Infos in Kürze:
Das Restaurant hat im Sommer täglich von 12.00 - 22.00 Uhr geöffnet. Im Winter ist eine Reservierung erforderlich. Der Biomarkt, in dem auch frisches Lamm-, Wasserbüffel- und Gallowayfleisch erhältlich sind, ist von Mi – Sa 10 – 18 Uhr geöffnet. Das Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn verfügt über 7 Ferienwohnungen und 20 Hotelzimmer.

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